Empfaenger : kairo@maya.inka.de Absender : Friedrich@mdb2.bn.eunet.de (Dr. Gerhard Friedrich, MdB) Weiterleiter MAILER-DAEMON@Germany.EU.net Betreff : Re: Anfrage bzgl. Kryptographieverbot Datum : Di 30.01.96, 14:07 (erhalten: 31.01.96) Groesse : 6831 Bytes Pfad : uu.inka.de!sapa.inka.de!mail.Germany.EU.net ---------------------------------------------------------------------- Am 12 Oct 95 schrieb Kai Rohrbacher : > Sehr geehrte Damen und Herren, > > am 8.9.1995 verabschiedete der Europarat die Empfehlung, starke > kryptographische Verfahren wie RSA, DES und andere Verfahren, die nach > derzeitigem Stand der Wissenschaft als "starke Kryptographieverfahren" zu > bewerten sind, zu verbieten, wenn die Regierungen (respektive deren > Geheimdienste) keinen irgendwie gearteten Zugriff auf die > unverschluesselten Daten (z.B. ueber Key-Escrow-Systeme) bekommen koennen. > > Diese Empfehlung des Europarates ist zunaechst nicht bindend und muesste > von den einzelnen europaeischen Nationen -auch der BRD- noch uebernommen > werden. > > Laut Aussage des Datenschutzbeauftragten des Deutschen Bundestages, Hr. > Joachim Jacobs, wurden 1994 in D allein rund 1.500.000 Telefongespraeche > abgehoert, durchsucht und elektronisch gespeichert. In seinem > Taetigkeitsbericht fuer 1994 heisst es weiter, dass "die BND- > Fernmeldeaufklaerung nicht verdachtsbezogen [arbeitet]. Es werden nicht > zielgerichtet Straftaeter, Verdaechtige oder Kontaktpersonen ueberwacht. > Vielmehr wird bewusst _jedermann_ einbezogen, wenn mit > Fernsprechteilnehmern im Ausland kommuniziert wird." > > Stellt dies m.E. allein schon einen Verfassungsbruch durch den BND dar, so > wird spaetestens durch dem Umstand, dass nun mehrere hundert Millionen > elektronische Nachrichten (E-Mails, Faxe, Telexe, u.a.), zusaetzlich ins > Visier genommen werden sollen, klar, dass die Parlamentarische > Kontrollkommission (PKK), die theoretisch den Geheimdienst kontrollieren > soll, nicht einmal ansatzweise ihre Kontrollaufgabe erfuellen kann. > > Bereits die im Mai 1995 verabschiedete Fernmeldeueberwachungsverordnung > hat zu der fuer einen Rechtsstaat unglaublichen Situation gefuehrt, dass > die Geheimdienste *ohne* richterlichen Beschluss abhoeren koennen - > wirksame Kontrollmechanismen existieren nicht. > > Das im GG, Art.10 verbuergte Fernmeldegeheimnis darf durch Gesetz nur > eingeschraenkt werden, wenn es zum "Schutz der freiheitlich demokratischen > Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines > Landes" noetig ist. Die z.Z. praktizierten Methoden legen aber sowohl > aufgrund ihrer Menge als auch der (Nicht-)Kontrolle derselben eher den > Umkehrschluss nahe, dass die eigentlich zum Schutz gedachten Methoden > geradewegs *selber* die freiheitliche demokratische Grundordnung massiv > bedrohen! > > > Ich rufe Sie als Abgeordnete der im Bundestag vertretenen Parteien deshalb > auf, einer noch weitergehenden Einschraenkung der Grundrechte des Buergers > eine klare Absage zu erteilen und stattdessen dafuer Regelungen zu > beschliessen, die die Persoenlichkeitsrechte des Einzelnen hinreichend > gegenueber den Interessen des Staates beruecksichtigen. Insbesondere muss > dies bedeuten, dass... > > a) jedwede Abhoervorgaenge (auch und insbesondere die der Geheimdienste) > nur auf ausdrueckliche richterliche Genehmigung hin erfolgen duerfen > b) jeder Abhoerversuch dem Betroffenen gegenueber nach Abschluss der > Ermittlungen explizit offengelegt wird > c) die PKK in ihrer Funktion angemessen erweitert wird, um ihre > Kontrollaufgaben ueberhaupt wirksam wahrnehmen zu koennen > > > Weiterhin bitte ich Sie um Stellungnahmen zu den angesprochenen Themen, - > insbesondere, wie Sie bzw. Ihre Partei bei der anstehenden Verabschiedung > eines Gesetzes bzgl. des generellen Verbots von Kryptographiemassnahmen > stimmen werden und durch welche Massnahmen Sie die Buergerrechte der 80 > Mio. Menschen, die Sie vertreten sollen, absichern zu gedenken. > > Ausserdem bitte ich Sie darum, Ihre Antworten als fuer eine evtl. > Veroeffentlichung explizit zu kennzeichnen. > > MfG, > Kai Rohrbacher > > > -- > Kai Rohrbacher > Tel/Fax: 07251-41072|mobile: 0177-4418-371 | Talstr. 24, 76689 Karlsdorf > write to info@maya.inka.de for PGP-key & further system-infos > Feed the BND-cookie reader!: Mord, Terror, Drogen, Steuer, Geld, Betrug > Sehr geehrter Herr Rohrbacher, fuer Ihre E-Mail danke ich Ihnen. Das Thema Kryptographie-Verfahren und ihre Anwendung im Bereich der Telekommunikation liegt nicht in meinem Zustaendigkeitsbereich. Daher war es erforderlich, sich bei den zustaendigen Ressorts sachkundig zu machen. Dies hat einige Zeit in Anspruch genommen. Unter anderem aufgrund der noch nicht erfolgten abschliessenden Behandlung und Meinungsbildung in der Bundesregierung. Der aktuelle Sachstand stellt sich wie folgt dar: Es ist unbestritten, dass es im Bereich der Anwendung von Kryptographieverfahren im elektronischen Datenverkehr einen staatlichen Handlungsbedarf gibt. - Kryptographie muss sicher sein. Als Stichworte seien hier nur genannt alle Bereiche persoenlicher Daten (Medizin, Finanzen, Bewerbungen etc.) sowie die Daten unternehmerischer Taetigkeiten (Angebote, Bilanzen, Boersenhandel etc.) - Gleichzeitig ist klar, dass der Anbieter eines Kryptographieverfahrens ueber eine grosse Machtposition verfuegt. - Darueber hinaus muss ein Staat schon aus Staatsschutzgruenden in der Lage sein, sich und seine Buergerinnen und Buerger zu schuetzen, also gegebenenfalls Daten entschluesseln koennen bzw. entschluessen lassen koennen. Zur Zeit werden in den zustaendigen Bundesministerien verschiedene Modelle diskutiert, die sowohl rechtsstaatlichen als auch marktwirtschaftlichen Grundsaetzen genuegen muessen, d.h. es kann weder eine vollstaendige, permanente inhaltliche Kontrolle aller kryptographierten Daten durch den Staat geben, noch wird der Staat auf sein Informationsrecht verzichten koennen, sobald seine oder die Sicherheit seiner Buergerinnen oder Buerger gefaehrdet erscheinen. Auch ein privates Unternehmen kann nicht voellig frei von hoheitlicher Aufsicht Monopolist bezueglich der von ihm kryptographierten Daten sein. Die angestrebte Loesung muss die oben abgesteckten Rahmenkriterien erfuellen. Die Bundesregierung beabsichtigt, noch in diesem Jahr zu entscheiden. Dabei werden die Ergebnisse der vom Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft", die sich u.a. dem Themenkomplex Kryptographie zuwenden wird, Beruecksichtigung finden. Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort Einblick in den augenblicklichen Sachstand der Diskussion innerhalb der Bundesregierung und der CDU/CSU Fraktion des Bundestages gegeben zu haben. Mit freundlichen Gruessen Dr. G. Friedrich, MdB -- Dr. Gerhard Friedrich, MdB CDU/CSU Fraktion Bundeshaus HT 325 53113 Bonn